NEUANLAGE:
I. Allgemeines.
II. Bezeichnungen der Neuanlage u. des Neuanlegens.
III. Durchführung der Neuanlage: A. Abräumen.- B. Rigolen.- C. Einebnen.- D. Abzeilen.- E. Auspflanzen.- F. Stützpfähle setzen.
I. Allgemeines: Ein zu hohes Alter des Weinbergs birgt die Gefahr der Ertragsminderg. u. wirtschaftl. Einbuße. Im Allg. rechnet man heute mit der Ertragsdauer eines Weinbergs v. 25-30 J. Früher waren aufgrund der Möglichkeit sukzessiver Verjüngg. des Weinbergs durch Absenken v. Trieben od. Vergruben v. Rebstöcken (VERMEHRUNG) erhebl. längere Ertragszeiten mögl. Fälle wie ein 121 J. alter Weinberg, v. dessen Rodg. die GWP aus Schwabsburg (RHEINHESSEN) zu berichten weiß, dürften jedoch seltene Ausnahmen sein. Jedenfalls wird irgendwann für jeden Weinberg eine Rodg. u. Wiederanpflanzg. fällig. Diese wird i.d.R. dazu genutzt, die ges. Anlage den jeweiligen Produktions- u. Marktbedingungen anzupassen u. eine längerfristige Rentabilität zu sichern. Sie verlangt also grundsätzl. Überlegungen zu Sorten- u. Unterlagenwahl, zu Gassenbreite u. Stockabstand, zu Reberziehungsform u. Art der Unterstützungsvorrichtg., zur Art der Bodenbearbeitg. u. Düngg.- II. Bezeichnungen der Neuanlage u. des Neuanlegens: Die Terminologie des neu anzulegenden bzw. neu angepflanzten Weinbergs speist sich einerseits aus jeweils gebräuchl. Weinbergs- od. Parzellenbez. wie Anlage, Berg, Bitz, Bletz, Bletze, Garten, Kultur, Quartier, Rebanlage, Rebberg, Rebe (koll. Pl.), Rebgarten, Stuck, Stück, Stücklein, Stücke-, Weinberg, Weingart, Weingarten, Wingert u. Weinhof, die durch die Adj. frisch, jung u. neu attribuiert od. mit ihnen komponiert sind (Junganlage, Jungbau, Jungberg, Jungfeld, Jungkultur, Jungrebe (koll. Pl.), Jungweingart, -en, Neuanlage). Daneben stehen Bez., die geprägt sind v. den Haupttätigkeiten, die sich mit der Neuanlage verbinden, näml. dem Roden u. Umgraben des Weinbergs (Aufbruch, Gereut, Gereutlein, Geröds, Gräft, Gräfte, Raut, Rod, Rott, Rödchen, Rött-, Rodfeld) sowie dem Pflanzen bzw. Setzen der jungen Reben (Angesetzte, Ansatz, Ausgesetzte, Aussatz, Gesetz, Gesetzlein, Herausgesetzte, Satz, Sätzlein, Satzweingart, Setze, Stufe), häufig in Komposition mit dem Adj. neu (Neugereut, Neuraut, Neuanpflanzung, -ing, Neugesetz, Neugesetzlein, Neuanpflanzung, -ing, Neusatz, Neusätzlein, Neusetze). Verschiedentl. sind Ellipsen geläufig: Frische, Junge, Neue. Selten sind Benennungen nach den Rebsetzlingen (Blindgesetz, Rasel (koll. Pl.), Schnittlinggarten, -lings-, Wurzelrebengesetz). Im Allg. wird die Weinbergsneuanlage die ersten 3-4 J. als solche bez., danach kommt ihr die gewöhnl. Weinbergsbez. zu (WEINBERG). In Tiengen (BADEN) sagte man v. der voll bestockten, im Ertrag stehenden Neuanlage "das Stück ist rebdick". Verbale Bez. für die ges. Durchführg. einer Weinbergsneuanlage sind angerechen, anlegen, erneuern, hinanmachen; verschiedentl. werden die Bez. v. Teilarbeiten der Neuanlage (s.u.) als Pars pro Toto für die Gesamtmaßnahme gebraucht (anpflanzen, anroden, ansetzen, auspflanzen, rigolen, gerigolen, roden, rotten, setzen). Das Einrichten einer Kammertanlage (KAMMERT) hieß "Kammert / Wingert aufschlagen" od. länderichen.- III. Durchführung der Neuanlage: Mit der Neuanlage eines Weinbergs ist eine Reihe v. Arbeitsschritten verbunden. Im Wesentl. handelt es sich dabei um das Abräumen der Altanlage, das Rigolen, ggf. das Einebnen des rigolten Bodens, das Abzeilen des Rebgrundstücks u. das Pflanzen der jungen Reben.- A. Abräumen: Erste Maßnahme des Abräumens der Altanlage (abreißen, raumen, räumen) ist das Entfernen der Unterstützungsvorrichtg. der Reben. Danach folgt das Roden der alten Rebstöcke (abehacken, abgeheien, abhacken, abhauen, abraumen, -räumen, abschlagen, aufbrechen, ausbrücken, ausgraben, aushacken, aushauen, ausherrauten, ausherschmeißen, ausmachen, ausmerzen, ausraumen, -räumen, ausreißen, ausroden, -rotten, ausrohnen, ausrupfen, ausschlagen, außegeheien, außehacken, außehauen, außenehmen, außereißen, außereuten, außerupfen, außeschlagen, außestocken, außetun, ausstocken, austun, auswurzeln, enweghauen, herabhauen, herausackern, herausgraben, heraushacken, heraushauen, herausholen, herausmachen, herausreißen, herausroden, herausrupfen, herausschmeißen, herausstocken, herauswerfen, hinausreißen, raumen, räumen, Rebenaushacken, reißen, reuten, rigolen, gerigolen, roden, rotten, schlagen, stocken, weghauen, wegraumen, -räumen, wegschmeißen). Im älteren Weinbau wurden die Rebstöcke mit der Hacke od. sonstigen Stielgeräten (GERÄT) ausgehauen. Insbesondere in Weinbergen, die aufgrund der Praktiken des Vergrubens u. Einsenkens (VERMEHRUNG) ein verzweigtes Wurzelgeflecht ausgebildet hatten, war dies eine sehr aufwändige Arbeit. Später ging man dazu über, die Rebstöcke mit Hilfe v. Zugtieren od. -maschinen aus dem Boden zu reißen. Nach dem Entfernen der alten Rebstöcke wurde dem Weinberg i.d.R. eine mehrjährige Brache verordnet (Brache, brachliegen). Es kam jedoch auch vor, dass Weinberge direkt nach dem Aushauen der Rebstöcke umgegraben u. ohne Einräumg. einer Brachzeit wieder mit Reben bepflanzt wurden; in RHEINHESSEN nannte man dies "über Kopf roden" (roden, rotten).- B. Rigolen: Unter Rigolen versteht man das tiefe Umschichten bzw. Vermischen des Weinbergsbodens vor dem Wiederbepflanzen der Anlage. Die heute als für das Bodengefüge eher ungünstig beurteilte Maßnahme wurde meist in der Zeit v. Herbst bis Frühj. durchgeführt. Sie hatte zum Ziel, den durch langjährige Begehg. od. Befahrg. verdichteten Boden wieder aufzulockern u. die nährstoffreiche humose Erde der oberen Bodenschicht mit dem tieferen Erdreich zu vermischen, damit die Jungpflanzen in den ersten Entwicklungsjahren gute Bedingungen vorfinden. Nach Auskunft der GWP rigolte man i.Allg. in Tiefen v. 40-80cm, doch werden auch Tiefen v. bis zu 120cm berichtet. Früher erfolgte das Rigolen v. Hand (handrigolgen), d.h. mit Hacke, Pickel u. Schaufel. Später kam dann der v. tierischen od. maschinellen Kräften gezogene Rigolpflug zum Einsatz (GERÄT). Bez. für die Tätigkeit des Rigolens sind ackern, anroden, aufbrechen, aufgraben, aufgräftnen, aufreißen, ausgraben, bänkeln, brachen, burzeln, drehen, durchackern, durchfahren, fahren, graben, gräften, gräftnen, hacken, handrigolen, hauen, herumackern, herumdrehen, herumfahren, herumgraben, herummachen, herumreißen, herumreuten, herumrodern, herumrotten, herumstechen, kehren, pflugen, pflügen, rauten, rautnen, reuten, Reuten, Rigolen, rigolen, gerigolen, rigolieren, gerigolieren, rodbalken, roden, rotten, Roden, Rotten, rodtelben, rollieren, schoren, stocken, tiefackern, tieffahren, telben, umackern, umbänkeln, umbauen, umbrechen, umdrehen, umegraben, umgraben, umhacken, umhauen, umkehren, ummachen, umpflugen, -pflügen, umrauten, umreißen, umrigolen, -gerigolen, umrotten, umeschaufeln, umschöpfen, umsetzen, umspaten, Weingartreuten, -garten-, Weingartswenden, wenden, zackern. Beim Handrigolen war folg. Arbeitsschema weit verbr.: Zu Beginn wurde entlang einer Seite der umzugrabenden Weinbergsfläche ein ca. 80-100cm breiter Graben (Bank, Fünfzigzentimetergraben, Gräbelchen, Graben I (Vertiefung), Reutgraben, Rigolbank, Rigolgraben, Rodbalken, Rodbank, Rodgraben, Rott-, Schanz, Schanze, Schlag, Setzgraben, Wendgraben) ausgehoben, dessen Erdaushub entlang der gegenüberliegenden Grundstücksseite aufgeschüttet wurde (Aufwurf, Schlag). Parallel zum 1. Graben hob man dann einen 2. Graben aus. Mit dessen Aushub wurde der 1. Graben verfüllt, u. zwar so, dass die humose obere Erdschicht auf der Grabensohle, die untere darüber zu liegen kam. Auf diese Weise wurde der Boden des ganzen Weinbergs Graben für Graben umgeschichtet (dureschaufeln, herumspaten, umgeheien, umschaffen, umstülpen). Den letzten Graben verfüllte man dann mit dem an das Ende des Weinbergs verbrachten Aushub des 1. Grabens. Neben diesem Verfahren mit 2 Arbeitsgräben kam auch das Dreigrabensystem zur Anwendg., bei dem in 3 Gräben gleichzeitig gearbeitet wurde. Hierbei schichtete man den Weinbergsboden in der Weise um, dass die oberste Erdschicht zur mittleren, die mittlere zur untersten u. die unterste zur obersten Schicht wurde. Damit war bei gr. Rigoltiefe gewährleistet, dass die obere, humusreiche Bodenschicht nicht zu tief zu liegen kam u. v. den Wurzeln der Jungreben erreicht wurde. Zum sehr anstrengenden Handrigolen mussten meist zusätzl. Arbeitskräfte herangezogen werden. Mitunter wurde in Gruppen gearbeitet, wobei man sich in den einz. Teilarbeiten des Rigolens, d.h. dem Lockern der Erde mit dem Pickel, dem Abziehen der oberen Bodenschicht (abegeheien, abeziehen, abraumen, -räumen, abschlagen, abziehen, einhinziehen, einziehen, herausstechen, herunterhacken, herunterziehen, stechen) u. dem Ausschaufeln der Erde aus dem Rigolgraben (aufschippen, außenehmen, ausheben, ausputzen, ausschippen, ausschmeißen, ausschöpfen, außetun, ausspaten, graben, herausschaufeln, herausschippen, herausschmeißen, schaufeln, schippen, schöpfen, telben) abwechselte. Beim Handrigolen bestand die Gefahr, dass zw. den Rigolgräben Wände aus festem Boden stehen blieben, welche die Rebwurzeln an ihrer Ausbreitg. hindern u. zu Staunässe führen konnten. Deshalb war beim Ausheben des Rigolgrabens darauf zu achten, dass dessen Wände ganz senkrecht waren u. stehengebliebene schräge Wandteile beseitigt wurden (nachputzen). Dem gleichen Zweck diente das Unterhöhlen (unterminieren) der Wand des Rigolgrabens mit dem Pickel.- C. Einebnen: Nach dem Rigolen u. vor dem Abzeilen erfolgte ggf. eine Einebng. des Weinbergsbodens (abegden, -eggen, abrecheln, abrechen, -rechnen, abschleifen, abschleppen, abstreifen, abwischen, abziehen, anrechern, ausebnen, ausgleichen, ausharken, ausnivellieren, ausplanieren I (ebnen), darübermachen, durchegden, ebenmachen, ebenrecheln, ebenrechen, ebenschleifen, ebenstreichen, ebenziehen, ebnen, egden, eggen, einebnen, einplanen, fräsen, geradeziehen, glattmachen, glattschmeißen, glattstreichen, glattziehen, auf die Gleiche machen / schieben / ziehen, gleichmachen, gleichen-, gleichrechen, gleichschleifen, gleichziehen, grubbern, harken, hinlegen, kultivieren, nivellieren, paratmachen, planieren I (ebnen), raumen, räumen, recheln, rechen, rechnen, scheren, scherren, schieben, schleifen, schleipfen, schleppen, streifen, verebnen, verrecheln, walzen, ziehen, zuschleppen). Dabei wurden mit einer Egge, sonstigen Schleif- u. Planier- od. auch Stielgeräten wie Hacke, Schippe od. Rechen (GERÄT) größere Erdschollen zerkleinert u. kleinere Unebenheiten ausgeglichen. Vielfach weisen die GWP allerdings darauf hin, dass nach dem Rigolen v. Hand die Weinbergsfläche i.d.R. so glatt war, dass sich eine Einebng. erübrigte.- D. Abzeilen: Vor dem Bepflanzen der Neuanlage müssen Verlauf (Falllinie, Fallrichting, Flucht, Richte, Weg) u. Stockabstand (Abstand, Kluft) der Rebzeilen sowie die Breite der Rebgassen (WEINBERGSTEIL) festgelegt werden. Bez. für dieses Vermessen der Neuanlage bzw. die Markierg. der Pflanzstellen der Reben sind abmesen, abreißen, abschlagen, abschnüren, abschreiten, abschritten, abstechen, abstecken, abzeicheln, abzeichen, -zeichnen, abzeilen, anmessen, anreißen, anweisen, aufreißen, aufstachen, aufstechen, aufstecken, ausbleien, ausfluchten, ausmessen, ausnivellieren, auspfahlen, -pfählen, ausplanieren II (planen), ausrichten, ausschnüren, ausspeideln, ausvisieren, auszeicheln, auszeichen, -zeichnen, auszeilen, einfluchten, einteilen, einvisieren, gleichmachen, gleichen-, herausmessen, messen, planieren II (planen), richten, schnüren, strämen, vermessen, vorauszeilen, Weingartausstecken, zeichen, zeichnen, zeilen, ziehen, zielen. Zu den beim Abzeilen verwendeten Hilfsmitteln s. GERÄT.- E. Auspflanzen: Nach dem Markieren der Pflanzstellen erfolgte das Setzen des Pflanzgutes. Bei Verwendg. v. bewurzelten Setzlingen (WURZELREBE) wurden zunächst Setzlöcher mit Hacke od. Spaten ausgehoben od. mit speziellen Erdbohrern (GERÄT) gefertigt (aufgraben, auftun, ausgraben, aushacken, ausheben, ausschöpfen, ausspaten, ausstechen, ausstoßen, bohren, einstufen, graben, Graben II (Arbeit), grübeln, gruben, hacken, hauen, heraushacken, heraushauen, lochen, Löchermachen, löchern, schlagen, schöpfen, stechen, stocken, stoßen, stößen, stufen, telben, vorstechen). Danach wurden die Reben ausgepflanzt (anlegen, anpflanzen, ansetzen, auspflanzen, außesetzen, aussetzen, einetun, einlegen, einpflanzen, einsetzen, einstopfen, einstufen, hineinmachen, hineinsetzen, hineinstellen, legen, pflanzen, Rebensetzen, setzen, stecken I (befestigen), Stöckesetzen, versetzen). Früher wurden vielfach auch unbewurzelte Stecklinge verwendet (BLINDREBE), bei denen sich die Herstellg. v. Setzlöchern erübrigte. Sie wurden mit dem sog. Geißfuß, Geißen- (GERÄT) in den Weinbergsboden gedrückt (hineindrucken, -drücken).- F. Stützpfähle setzen: Zur Unterstützg. der jungen Reben wurden u.U. schon beim Abzeilen od. Auspflanzen kleinere Pflanzstäbe gesetzt; bei Pfahlerziehung wurde die Neuanlage spätestens im 2. od. 3. J. mit normalen Stützpfählen ausgestattet (abpfahlen, -pfählen, ansticken, aufpfählen, aufstickeln, aufsticken, pfahlen, pfählen, schlagen, stecken I (befestigen), stellen, stickeln, sticken). Beim Einrichten einer Kammertanlage (KAMMERT) hieß das Einschlagen der Stützpfähle "Stiefel schlagen" (schlagen, Stiefel II (Pfahl), Stüpfel).- Lit: Arthold 1929, 133ff. 150ff.; Babo 1842, 35ff. 87ff.; Dornfeld 1864, 135ff.; Kiefer 1978, 84f.; Linsenmaier/Daub 1955, 69ff.; Müller K. 1930, 536ff. 692ff.; Regner 1876, 99ff. 322f.; Schumann 1998, 11f. 154. 166. 171f. 197; Seppälä 2001, 43f.; Wenisch 1912, 47ff.; WKW 47/219ff.- R.P.
Ausgraben der Endsteine bei der Neuanlage des Weinbergs
Ausgraben der Endsteine bei der Neuanlage des Weinbergs


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