MENSCH:
I. Allgemeines.
II. Ausbildung u. Beruf: A. Schule u. Kurse.- B. Winzer/Winzerin.- C. Arbeiter/Arbeiterin bei der Boden- u. Laubarbeit.- D. Weinbergshüter, Lesekräfte u. Traubenträger.- E. Weinhändler u. Schröter.
III. Buchhaltung u. Lohn.
IV. Kleidung.
V. Genehmigung.
VI. Recht u. Information.
VII. Ernährung.
VIII. Gesundheit.
IX. Sprache.
X. Symbol.
I. Allgemeines: Durch die Mechanisierg. sind im mod. Weinbau eine Reihe v. Arbeiten überflüssig od. stark eingeschränkt worden, sodass auch weniger Personal, z.B. für die Pflegemaßnahmen im WEINBERG od. bei der LESE, benötigt wird. Eine Einteilg. der Arbeitskräfte kann nach unterschiedl. Kriterien vorgenommen werden, z.B. nach der Familienzugehörigkeit, nach der Entlohng. (in Geld od. Naturalien), nach der Anwesenheit im Weinbautrieb u. dem Umfang der Beschäftigg. In früheren Zeiten waren hier vor allem die nur zeitweilig angestellten Tagelöhner, bes. im Frühj. für das tiefe Umgraben u. Hacken der Weinberge u. im Herbst für die Lese, wichtige Hilfskräfte.- II. Ausbildung u. Beruf: A. Schule u. Kurse: Während in früheren Zeiten die Weinbaukenntnisse, z.B. zu REBERZIEHUNG u. KELLERWIRTSCHAFT, v. Generation zu Generation mündl. tradiert wurden, übernehmen in jüngerer Zeit Weinbaufachschulen (Fachschule, Weinbauschule, Weinfachschule) diese Aufgabe. Zum Erlernen best. Fertigkeiten, z.B. für den REBSCHNITT od. die VEREDLUNG, wurden auch schon früher vereinz. Kurse (Rebschnittekurs, Rebveredlungskurs) angeboten. In Tegerfelden (AARGAU) gab der kantonale Rebbaukommissär bei der Begehg. der Weinberge fachl. Ratschläge.- B. Winzer/Winzerin: Der Winzer, d.h. die Pers., die Weinbau betreibt bzw. Weinberge besitzt, heißt je nach Weinbauregion Bauer, Bauermann, Gebauer, Hacker, Häcker, Hauer, Hauptbewirtschafter, Rebbauer, Rebmann, Vigneron, Vinzeller, Weinbauer, Weingartbauer, -garten-, -garts-, Weingartenpflänzer, Weingärter, -gärtner, Weingartmann, Weingarts-, Pl. Weingartsleute, Weingebauer, Weinhauer, Weintraubenbauer, Weinzürl, -zettel, Weinzürler, -zettler, Winzer od. Wirt. Vom "großen Bauern", der viele Weinberge besitzt, unterscheidet man den "kleinen Bauern" mit wenigen Weinbergen. Für die Winzerin wurden v. den GWP ebenfalls eine Reihe v. Bez. genannt (Bauerin, Bäuerin, Bauersfrau, Gebäuerin, Hackersfrau, Häckers-, Hauerin, Hauerweib, Meisterfrau (sehr alter Ausdr.), Mosterin, Rebbäurin, Reben-, Rebbesitzerin, Rebfrau, Rebmaidlein, Rebweib, Vinzellerin, Weinbauerin, -bäuerin, Weinbauersfrau, Weinbauersin, Weinbauerweib, Weingartenpflänzerin, Weingärterin, -gärtner-, Weingartfrau, -garts-, Weingartsmädchen, Weingebäuerin, Weinhauerin, Weintraubenbäuerin, Weinzettlerin, Weinzürlin, Winzerfrau, Winzers-, Winzerin). Meist wird sie aber nur "Frau", die "Frau vom Weinbauern", "dem Winzer seine Frau" etc. od. "Weib" genannt; früher hieß sie auch "Frau Weinzettel".- C. Arbeiter/Arbeiterin bei der Boden- u. Laubarbeit: Für die arbeits- u. zeitintensive, mehrmals im J. durchzuführende BODENARBEIT wurden zahlr. Arbeitskräfte (z.B. Hauer) benötigt. Bei der LAUBARBEIT, dem Aufbinden der Sommertriebe u. Entfernen aller überflüssigen Triebe, wurde vor allem auf weibl. Hilfspersonal (Effeuilleuse, Klamperin) zurückgegriffen.- D. Weinbergshüter, Lesekräfte u. Traubenträger: Die Aufgabe des Weinbergshüters ist die Abwehr v. Traubendieben (WEINBERGSHUT) u. bes. v. Vögeln (VOGELABWEHR) im Herbst zur Zeit der Lese. Für das Lesen der Trauben per Hand, wie sie früher überwiegend u. heute in sehr steilen Lagen immer noch u. aus Qualitätsgründen auch anderswo wieder betrieben wird, werden eine Menge Helfer benötigt. Der Traubenträger, der das Lesegut im Rückentraggefäß (GEFÄSS) aus dem Weinberg transportiert, heißt - entsprechend der Bez. für das Rückentraggefäß (vgl. z.B. Bäschoff, Brente, Hotte, Hutte, Zumme) - je nach Dial.-Gebiet Austräger, Bäschoffträger, Bäschoffs-, Bottichtrager, Brententrager, -träger, Bückitrager, Bückti-, -träger, Bücktenträger, Büttichtrager, -träger, Bütteler, Buttenmann, Buttentrager, -träger, Butt-, Esel, Hottenträger, Huttenmann, Huttenträger, Kiepenträger, Knecht, Lageltrager, Lägelträger, Lägels-, Ständleinträger, Taschian, Tragenträger, Trager, Träger, Träubeltrager, -träger, Traubentrager, -träger od. Zummtrager, Zummen-. War das Lesegefäß voll, dann rief die Leserin in Trasadingen (SCHAFFHAUSEN) den Traubenträger mit dem Ruf "Bückimann voll!" herbei. In Nack (RHEINHESSEN) u. Neu-Beschenowa (RUMÄNIEN) wurde "Butte!", in Kimling (UNGARN) "Puttonyos!" u. in Kallstadt (PFALZ) "Ausleeren!" gerufen. Dem Traubenträger kam oft auch die Aufgabe zu, nachlässige Lesekräfte symbolisch zu bestrafen (BRAUCH).- E. Weinhändler u. Schröter: Der WEIN wird in Fässern (fässleinweise, fassweise, fassvollweise) od. in Flaschen (FLASCHENFÜLLUNG) verkauft. Der Transport der Fässer wurde früher oft v. einem spez. Berufszweig, dem sog. Weinschröter (TRANSPORT), durchgeführt, der Weinhandel v. Weinhändler.- III. Buchhaltung u. Lohn: Die Buchhaltg. während der LESE wurde früher mit einfachen Mitteln vorgenommen, z.B. wurden Steinchen od. Streichhölzer auf einen Haufen gelegt od. Kerbhölzer verwendet. Hierbei sind die einfachen Zählstöcke, in welche die Merkzeichen eingeritzt wurden, v. dem Doppelholz zu unterscheiden. Bei letzterem erhielt jeder Partner eines der beiden Hölzer mit den Ritzzeichen. Beim Zusammensetzen mussten diese aneinanderpassen. Der Rabisch war z.B. in Mailberg (NIEDERÖSTERREICH) die einfachste Art der Buchhaltg. im Weinbau (s. hierzu auch Orac-Stipperger 1990, 272): In 2 übereinander gelegte Holzstäbe wurde mit einem Messer eine Kerbe für den jeweiligen Arbeitstag eingraviert. Den einen Stab behielt der Winzer (Bauer), den and. nahm der Taglöhner (Hauer) mit. An Stephani (26. Dez.) wurde alles mit dem Hausherrn verrechnet. In Orschwihr/Orschweier (ELSASS) trug man die getragenen Traubenlasten in ein kleines Heft ein. In Hammelburg (FRANKEN), Falkenstein, Tattendorf (NIEDERÖSTERREICH) u. Vlasatice/Wostitz (TSCHECHIEN) wurde für jedes getragene Rückentraggefäß ein Steinchen als Merkzeichen abgelegt. In Klepsau (BADEN) häufte man diese Steinchen auf dem LESEWAGEN auf, ebenso in Andriano/Andrian (SÜDTIROL). Streichhölzer (Reibhölzlein) legte man in Zadareni/Zaderlak (RUMÄNIEN) als Merkzeichen hin. Häufiger wurde jedoch eine Kerbe in einen Stab od. einen Rebpfahl geschnitten. So ritzte vielerorts der Träger für jedes aus dem Weinberg getragene Rückentraggefäß eine Kerbe in einen Rebpfahl od. in den Stock, den er mit sich führte (Bückistecken, Buttenstecken, vgl. Buttentragerstecken (Eberhart 1979, 83ff., mit Abb. 1ff.)), häufig auch in den TRAUBENSTAMPFER ein (Ausschnitt, Einkerbung, Einschnitt, Kerbeinschnitt, Kerbelein, Kerbken, Kerbschnitt, Klaffe, Kläfflein, Kläffe-, Ring, Ritze, Schnitt, Schramme, Strich, Strichlein, Striche-). In Rohrendorf kerbte man für 2 Butten einen Strich auf einem Stecken ein, das war 1 Paar = 1 Eimer Maische (MAISCHE). In Ramsthal wurde für jede getragene Butte mit einem kleinen Stein ein Strich an ein angestrichenes Gefäß (Kufe II (Gefäß)) gemacht. Oft wurde die Markierg. auch, meist mit Kreide (Kreidestrich), auf den Reifen des Traubengefäßes gemalt. In Retz u. Rechnitz (BURGENLAND) brachte man die Striche auf einer Mauer an. Bei 10 Merkzeichen machte man in Rechnitz einen Querstrich. Als Lohn erhielten die Lesekräfte in Kleinradl (STEIERMARK) an Weihnachten Wein, 1 Laib Brot u. Klötzenbrot u. wurden am Christtag zum Mittagessen eingeladen. Zur Entlohng. für die Bewachg. der Weinberge, zu dem sog. Hutgeld, s. den Art. WEINBERGSHUT.- IV. Kleidung: An manchen Orten erhielten die Lesekräfte neue bzw. weiße Kleidungsstücke, um dem Festcharakter der Lese Ausdruck zu verleihen. Eine spez. KLEIDUNG spielte vor allem bei der Weinbergshut zum Erkennen des Weinbergshüters eine Rolle.- V. Genehmigung: In Schwabsburg (RHEINHESSEN) musste vor der NEUANLAGE eines Weinbergs eine amtl. Genehmigg. (Setzschein) eingeholt werden, ebenso vor der Lese, um nachweisen zu können, dass man den geschlossenen Weinberg (WEINBERGSSCHLUSS) betreten durfte (Schein).- VI. Recht u. Information: In den Bereich des Rechts gehören z.B. die PACHT, die Weinbergsgrenze (WEINBERGSTEIL), der Lese- u. Kelterzwang u. die Maße (MASS). Der Ablauf der Lese war früher meist genau geregelt. Oft legte ein spez. Gremium, der sog. Leseausschuss, den Lesebeginn fest (LESEZWANG, WINZERVEREINIGUNG) u. machte ihn durch Aushang od. Ausschellen (GERÄT) bekannt. Auch der tägl. Lesebeginn u. das Ende sowie das Verlassen der Weinberge bei Regen wurde meist durch Läuten der Kirchenglocken öffentl. angezeigt. Dagegen war es in Piesport (MOSEL) noch bis kurz nach dem 2. Weltkrieg Brauch, dass bei Regenwetter die Glocken nicht geläutet wurden, dies bedeutete, dass nicht gelesen werden durfte. Setzte unverhofft Regen ein, zeigte auch hier Glockenläuten das unverzügl. Verlassen der Weinberge an.-Lit.: Müller K. 1930, 332 s.v. Herbstausschuss.- VII. Ernährung: Getränke wie Wasser, Wein od. HAUSTRUNK (minderwertiges weinähnl. Getränk) für die Weinbergsarbeit wurden früher meist in kleinen Holzfässchen od. Tonkrügen (GEFÄSS) in den Weinberg mitgenommen, da in ihnen das Getränk schön kühl blieb. In Tiflis/Alexanderdorf (GEORGIEN) nahmen Frauen 0,5l Wein (Liter), Männer 1l (Literflasche, -fläsche) mit in den Weinberg. Zu den verzehrten Speisen siehe die Art. ERNÄHRUNG u. MAHLZEIT.- VIII. Gesundheit: Der Rebsaft wurde früher als Augenheilmittel (Augenmittel, Augentropfen, Augenwasser) u. zum Entfernen v. Sommersprossen ("Guckerschecken", Laubflecken, "Merzetupfen" (Keller A. 1956, 243), "Rossmucke", Sommerflecken) verwendet.- IX. Sprache: Zahlreiche Bez. der menschl. u. tierischen Körperteile, Verwandtschafts- u. Personenbez. (z.B. Bursche, Herr, Knabe, Knecht) werden in der Spr. der Winzer (WINZERSPRACHE, WINZERREGEL) metaph. verwendet.- X. Symbol: In den Ortswappen der Weinbauorte od. in sonstigen Wappen wurden verschiedenartige Winzersymbole benutzt, z.B. eine Rebe (Weinstock), eine Traube (Hängel, Traube, Trauben, Traubel, Träubel, Weintraube, -trauben), ein Rebblatt, Reben- (Weinlaub), ein Rebtrieb (Rebzweig), ein (gekrümmtes) Winzermesser (Happe, Hape, Häpe, Hippe, Hegel, Mutz, Pfahlhappe, -hape, -häpe, Rebhegel, Rebmesser, Reben-, Rebmutz, Rebsesel, Sächslein, Sesel, Weinsesel), eine Traubenpresse (Kalter, Kelter), das als Vogelscheuche dienende Windrad (Klapotetz, Windmühle), ein Gefäß (Glas, Kelch, Krug, Kunkel, Weinglas, Weinkelch), eine Pflugschar, eine Schaufel, ein Küferzeichen od. ein Rebhauenstiel (LadParth. 1972, 102, Abb. 99). Die Zeichen können auch kombiniert sein, z.B. 1 Pfahlhäpe u. 1 Kelter; 2 Trauben auf einem Rebstock; 1 Winzermesser od. gekreuzte Sesel mit 1 Traube.- s.a. Burschenschaft (Plöckinger 1940, 19); Herbsthaube (Hilpert 1957, 8); Herbstherr (ib.); Herbstkappe (ib.); Karrer (Lachmann 1909/79, 478); Karrenheber (ib.); Kellerbuch (Stefl 1914, 26); Häckerbruderschaft (Schreiber 1980, 432); Häckerverein (ib.); "Härbschdmoor(e)" 'Bez. für bei Regen in den Reben nass u. auch schmutzig gewordene Leute' (OrtWs. 1, 133); Hauervereinigung (Schmidt L. 1958, 72); Hauerversammlung (Leskoschek 1952, 117); Keller (Hilpert 1957, 8); Kelterhaube (Hilpert 1957, 8); Küfertanz (Hoffmann W. 1932, Abb. 60); Lesemeister (Bauer W. 1986, 21); "Moustgoicker", "Moustgöicker" (Ries 1937, 188); Rebbesitz (Egli 1982, Kart. 4); Reblauser 'Mitglied der Reblauskommission' (Leskoschek 1952, 132); Rebleutbruderschaft (Schmidt L. 1958, 71); "Schnitthäpplesmarkt" (Hilpert 1957, 14); Schröterzunft (Witte H. 1987, 1); Stocker (Bethge 1924, 213); Trinkkomment (Müller K. 1930, 841); Vermehren subst. Inf. (Pletscher 1908, 90); Weinbauinstitut (OrtWs. 3/1, 123); mhd. wnbesnder m. (Lexer 3, 898); Weinbruder (Koch H.-J. 1976, 141); Weinbruderschaft (ib. 142, Abb.; Baillod 1977, 113; Rochaix u.a. 1977, 127f., Abb.); mhd. wngartbesnder m. (Lexer 3, 902); Weinhäcker m. (DWB 28, 934); Weinhucker m. 'Träger der Weinbutte bei der Lese' (ThürWB 6, 878); Weinkellner (Bauer W. 1986, 21); Weinleserin f. (DWB 28, 963); Weinleute (ib.); Weinmesser (BasMda. 314 s.v. Wi); Weinpreis (Bohn 1936, 14); Weinrufer (BasMda. 314); Weinseminar (Koch H.-J. 1976, 303); Weinunterkaufer (WürzbMda. 133); Weinverbrauch (OrtWs. 3/1, 123); Weinversteigerung (ib.); Weinvorrat (ib.); Weinwanderung (Koch H.-J. 1976, 275); Weinwochenende (ib. 303); Weinzoll (Pletscher 1908, 90); Weinzunft (Koch H.-J. 1976, 100); Winzerarbeit (Bohn 1936, 17); Winzerlohn (ib.); Zehntkommissar (Koch K.H. 1908, 47, Abb.); Zehntmann (Lachmann 1909/79, 479); Zuknecht (ib. 478).- Baillod 1977; Eberhart 1979, Abb.; Manz 2001; Schiffer 1927; Schumann 1998, 18ff.- M.B.
Hr. Heinrich mit einem "Hochbidje"
Hr. Heinrich mit einem "Hochbidje"

Kerbstecken
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