WEINBERGSHUT:
I. Allgemeines.
II. Bezeichnung, Hüterbezirk u. Hütezeit.
III. Erkennungszeichen.
IV. Hüterbaum.
V. Entlohnung u. Nahrungsmittel.
I. Allgemeines: Dem Bewachen der Weinberge (WEINBERG) vor u. während der LESE geht vielfach ihr Schließen, der sog. WEINBERGSSCHLUSS, voraus. Vogelscheuchen, Schreckbänder, Klappergeräte u. and. lärmerzeugende Geräte (GERÄT) führen bei der Vertreibg. der Vögel (VOGELABWEHR) nicht immer zum gewünschten Erfolg. Daher wird in vielen Weinbaugebieten eine organisierte Abwehr, die sog. Weinbergshut (Weingarthut), eingerichtet. Eine der Hauptaufgaben des Weinbergshüters ist der Schutz der Trauben (Beerhut, Traubenwacht), bes. vor Vögeln (SCHÄDLING), aber auch vor Traubendieben. Seine Tätigkeit wird v. den Winzern hüten, lugen od. wachen genannt. Gewöhnl. ging er in Vlasatice/Wostitz (TSCHECHIEN) hierbei auf einem nur zu Fuß begehbaren Pfad, dem Hütersteig. Meist wird ihm ein best. Bezirk zugeteilt, u. er trägt bes. Zeichen od. eine spez. KLEIDUNG, damit er v. jedem leicht erkannt werden kann. Im BURGENLAND wurde ein eigens hergerichteter Baum, der Hüterbaum, als Erkennungszeichen für die Weinbergshut aufgestellt. In Mönchhof wurden die Weinbergshüter selbst v. den sog. Bergleuten, den meist auf 4 J. gewählten Vertretern der Weinbauern, beaufsichtigt.- II. Bezeichnung, Hüterbezirk u. Hütezeit: Von Sonnenaufgang bis -untergang wurden v. Weinbergshüter festgelegte Bezirke (Terrain) innerhalb der Gemarkung begangen. Mancherorts wurden v. ein u. ders. Pers. sowohl die Felder, Gärten als auch die Weinberge bewacht, dies kommt vielfach auch noch in den Bez. für den 'Weinbergshüter' zum Ausdr. (Bannpräter, Bannwart, Berghüter, Bergwache, Birgehüter, Ehrenschütz, Feldhut, Feldhüter, Feldschütz, Feldwächter, Flurhüter, Flurschütz, Flurwächter, Förster, Gardschampett, -schampetter, Gartenschütz, Gartenwächter, Gemeindefeldsaltner, Hattertschös, Hatterhüter, Hirt, Hüter, Kerülö, Präter, Rebbannwart, Rebgartenhüter, Rebhüter, Reben-, Rebwächter, Rebenwachter, Saltner, Schampetter, Schütz, Träubelhirt, Traubenhirt, Traubenhüter, Traubenschütz, Traubenwache, Traubenwacht, Traubenwächter, Tschös, Vogelshüter, Wachter, Wächter, Weinbannwart, Weinberghüter, -bergs-, Weinbergschütz, Weingarthüter, -garten-, -garts-, Weingartschütz, -garten-, -garts-, Weingartwächter, -garten-, Weinhirt, Weinhofwächter, Weinhüter, Weintraubenwachter, -wächter). In Horrheim (WÜRTTEMBERG) heißt der Bezirk, den der Weinbergshüter bewachen muss, Hut II (Bewachung). In Tscherlach (ST. GALLEN) wurden die Felder u. Weinberge nur während des 1. u. 2. Weltkriegs v. der Flurwacht beaufsichtigt, da zu dieser Zeit lt. GWP viele Diebstähle begangen worden seien. In Pratteln (BASEL) beschützte der Bannwart das ganze J. über den Weinberg, im Herbst war hierfür der Rebhüter, Reben- zuständig. Auch in and. Weinbauregionen waren beide Arbeitsbereiche getrennt. So wurde in Burkheim (BADEN) der Feldhüter (älter: Bannwart) v. Starenhüter (Starenbannwart) unterschieden u. in Wicker (RHEINGAU) der Feldschütz v. Weingartschütz, der hier meist Beischütz genannt wurde. Die jeweils zuletzt Genannten nahmen ihre Aufgabe nur im Herbst wahr. In Klosterneuburg (NIEDERÖSTERREICH) gab es in den 1970er J. 2 Hüter, den sog. Grünhüter, der schon im Sommer v. der Stadtgemeinde zur Bewachg. der Äcker u. Wiesen eingestellt wurde, u. den Weinhüter, der erst im Herbst als 2. Hüter hinzukam; beiden beschützten dann die Weinberge. In Tevel/Deutsch-Tevel (UNGARN) war hierfür der Traubenhalter zuständig, während der Schütz die beim Leseabschlussfest aufgehängten Trauben bewachen musste. Auf die Abwehr v. Staren weisen die Termini Starenjager, -jäger u. Starenwehrer hin. In Verhnìj Koronec'/Oberschönborn (UKRAINE) wohnte der bezahlte Weinbergshüter (Kerülö) mit seiner Familie im Weinberg u. beschützte diesen gleichfalls das ganze J. über. Im Herbst wurde er bei der Vogelabwehr tägl. v. Vogelshirt unterstützt, der zusätzl. v. Zeitpunkt der Traubenreife bis kurz nach der Lese eingestellt wurde, aber nicht im Weinberg wohnte. In Kimling (UNGARN) musste der Weingarttschös auch über Nacht die Weinberge hüten. Für die Abwehr der Vögel war er aber nicht zuständig, sondern diese Aufgabe übernahm der Vogeltschös. Hilfskräfte (Hilfsbannwart, Hilfshüter, Hilfsschütz) unterstützten den Weinbergshüter oftmals bei seiner Arbeit. In Kallstadt (PFALZ) halfen dem Jahresschütz im Herbst 1-2 Hilfskräfte (Vierteljahrschütz). Manchmal wurde das Weinbergshüten auch v. and. Pers. (Gemeindearbeiter, Stadtmannschaft, Gemeindediener, Ortsdiener, Weibel), v. Weinbergsarbeiter (Weiner) od. v. Winzer selbst erledigt. Der Rundengänger machte nur zu ganz best. Zeiten einen Rundgang durch die Weinberge. In Mistelbach übte der Jäger die Funktion des Weinbergshüters aus. In Dolinovskoe/Gnadau (RUSSLAND) wurde ein Wachhund zum Beschützen des Weinbergs eingesetzt. In Btaszk/Badesek (UNGARN) taten sich mehrere Weinbergsbesitzer (ca. 10-15) zusammen u. stellten einen Weingarthüter, -garten-, -garts- an. In Fels a. Wagram (NIEDERÖSTERREICH) wurden meist 3 Hüter angeworben. Das sog. Aufschießen (das Gebirge aufschießen), das meistens am Kirchtag (Jakob = 25. Juli) stattfand, kennzeichnete in Guntramsdorf den Beginn der Hütezeit. An diesem Tag wurden die 6 Hüter aufgenommen, die schon am nächsten Tag die 6 Rieden (Ried II (Gebiet)) begingen, in die das ges. Weingebirge aufgeteilt war. Zu den Essenszeiten u. um Traubendiebe zu warnen blies in Zsmbk/Schambeck (UNGARN) der Weinhüter in ein Blasinstrument, das wie eine Flaute aussah (blasen, huppen); es gab hier insgesamt 6 Weinbergshüter.- III. Erkennungszeichen: Der Weinbergshüter war an vielfältigen Zeichen zu erkennen, z.B. an seinem Stock, seiner Pfeife, einem Strauß aus Wermut (Hüterwermut, Sträußlein, Wermut, Wermutssträußlein), einer Feder (Kikerfeder), einer Badischen Kokarde od. einem Band am Hut. In Falkenstein (NIEDERÖSTERREICH) wurde sein Hut erst in der letzten Hüterwoche mit Bändern (Masche) geschmückt. Mancherorts musste er sich auch durch ein Schriftstück ausweisen od. ein spez. Abzeichen (Dienstabzeichen, Emblem, Messingplakette, Plakette) bzw. Landeswappen tragen. Jeder Weinbergshüter aus Cortaccia/Kurtasch (SÜDTIROL) hatte ein Saltnerkreuz. Auch die Kopfbedeckung selbst (Dienstkappe, Dienstmütze, Federbuschhut, grüner Filzhut, Gardschampettertschäpper, Hut I (Bedeckung), Hüterkappe, Kappe, Käppi, Kaskett, Kaskettlein, Kaupe, Mütze, Schlapphut, Schützenkappe, Tocke, Tschäpper) u. die (uniformartige) Kleidung v. meist grüner Farbe sowie Gegenstände, die er in der Hand hielt, z.B. ein Glöckchen (Glocke, Schelle) od. ein Bodenbearbeitungsgerät (Reuthaue), fungierten als Erkennungszeichen. In Naturno/Naturns (SÜDTIROL) trug er eine lederne Joppe (Lederjoppe) u. hatte vorn 2 Fuchsschwänze (Fuchsschwanz) umhängen. Vor allem zur Vertreibg. v. Vögeln, aber auch zur Warng. der Traubendiebe, führte er vielerorts eine Rätsche (Kirre), eine Pfeife (Flürchen, Pfeife, Pfeiflein, Pfeife-, Trillerpfeife), eine Peitsche (Geißel) od. eine Handfeuerwaffe mit sich, an der er ebenfalls erkannt wurde. Ein weiteres wichtiges Erkennungszeichen war sein Stock (Budde, Gehstecken, Hüterstecken, Knüpfel, Knüppel, Laufstock, Prügel, Saltnerstecken, Schützenstock, Stab, Steck, Stecken, Stock). In ÖSTERREICH war der Hüter mit einer spez. Waffe, der sog. Hätsche (Hüterhackel, Hüterhätsche, Weingarthätsche), ausgestattet, vergleichbar [dem] Fokosch in Szakadt/Sagetal (UNGARN). In Ingelheim a. Rhein (RHEINHESSEN) fuhr er i.J. 1982 in einem Geländejeep od. Moped durch die Weinberge, die auch als Erkennungszeichen dienten. Auch noch in heutiger Zeit ist er dort mit dem Motorrad unterwegs. In Apoldu de Sus/Groß-Pold (RUMÄNIEN) trug der gewählte u. nach abgeschlossener Lese nicht mit Geld, sondern mit Naturalien (z.B. Most) entlohnte Weinhüter als Erkennungszeichen einen Strick bei sich, um z.B. eine entlaufene Kuh, die sich in den Weinberg verirrt hatte, zum Weinbergshäuschen zu bringen, wo der Besitzer sie dann abholte.- IV. Hüterbaum: Das Aufstellen eines bes. hergerichteten Baumes, Hüterbaum od. Hüterstange genannt, wurde in NIEDERÖSTERREICH u. spez. im Mittelburgenland (BURGENLAND) praktiziert. Das am Hüterbaum angebrachte Hüterkreuz zeigte die Anzahl der Weinbergshüter an, die in dem betr. Ried II (Gebiet) ihren Dienst ausübten. In Falkenstein (NIEDERÖSTERREICH) bestand der Hüterbaum aus einer Haselnussstange, an der oben eine Kugeldistel befestigt wurde. Er war das Zeichen dafür, dass nun gehütet wurde u. man bei Verstößen mit Konsequenzen rechnen musste. In Matzen wurde der Hüterbaum meist sichtbar neben der Straße errichtet u. mit Bändern (Masche) geschmückt. An wichtigen Wegkreuzungen stellte man ihn in Mailberg auf. Fremde durften nun den Weinberg nicht mehr betreten (WEINBERGSSCHLUSS), auch die Weinbergsbesitzer gingen nicht mehr hinein, sonden glätteten mit einem Rechen den Boden, um die Trittspuren der Traubendiebe erkennen zu können. In Gerstenfeld (TSCHECHIEN) brachte der Hüter neben seinem aus Stein od. Brettern gebauten Weinbergshäuschen bzw. seiner aus Strohbündeln errichteten Weinbergshütte die Hüterstange an, die oben mit einem Kränzlein, Kränze- geschmückt war. Dieses zeigte an, dass er in diesem Gebiet seine Tätigkeit aufgenommen hatte.- V. Entlohnung u. Nahrungsmittel: Dem Weinbergshüter wurde in Nagybörzsöny/Deutschpilsen (UNGARN) der Hüterlohn ausbezahlt. Für die Bewachg. der NEUANLAGE musste kein Hutgeld entrichtet werden. Meist wurden die Hüter jedoch in Form von Naturalien entlohnt. In Neckenmarkt (BURGENLAND) gaben ihnen die Winzer die sog. Kuchelspeise, d.h. Brot, Mehl, Speck u. Schmalz, in den Weinberg mit. In Mönchhof kochten sie ihm Weinbeersterz. In Hortica/Chortitza (UKRAINE) lagerte der Weinbergshüter Wassermelonen (Arbuse) in seiner Weinbergshütte. Diese wurden auch während der LESE od. zu Mittag verspeist.- Kart.: Galler/Grillmayer 1979, 131. 134; Grießmair 1969.- s.a. Brustgehänge (LadParth. 1972, 136, Abb. 119); "Dondadistl" (Plöckinger 1940, 5); Herbstschütze (RheinWB 3, 543); Hütergeißel (Galler/Grillmayer 1979, 122: "Hiatagoassl"); Huetbaum (LadParth. 1972, 130, Abb. 114); Hüterbude (Kahounov 1969, 107); Hütereinzug (Teufelsbauer 1927, 6. 10); Hüterglocke (Plöckinger 1940, 23); Hüterglockengestell (ib. 21); Hüterhacke, a. 1580 hüetterhacken (Bauer M. 1954, 126, Abb.; Galler/Grillmayer 1979, 122); Hüter-Instruktion (Galler/Grillmayer 1979, 128); Hüterkrone (Plöckinger 1940, 21); Hiatermusi (Galler/Grillmayer 1979, 128); Hüterpritsche (Plöckinger 1940, 21); Hütersäbel (Galler/Grillmayer 1979, 130); Hüterstern (Leskoschek 1975, 73; Kühnel 1965, Abb. 2; Plöckinger 1940, 3, Taf. 1, Abb. 1; ib. Taf. 4, Abb. 11; Schiferl 1980b, 119f., Abb.; Steurer 1980, 72, Abb.; Vierrath 1978, 181, Abb. 12); Hüterwehr (Galler/Grillmayer 1979, 128); Huthütte (Manz 2001, 162ff., Abb.); a. 1847 Hütung (Galler/Grillmayer 1979, 129); Kreuzeisen (LadParth. 1972, 138, Abb. 120); "Riglstab" (ib. 146, Abb. 124b u. 124c); Runggl (Galler/Grillmayer 1979, 122, Abb.; Hoeniger 1964, 121; LadParth. 1972, 88, Abb.; LadParth. [1973], 16; WKW 89/455); Saltnerpratze (LadParth. 1972, 134, Abb. 117); Saltnerrunggl (ib. 140, Abb. 122); Saltnerstecken (ib. 146, Abb. 124a u. 125); Sprengwedel (ib. 135, Abb. 118); Strohkreuz (ib. 130, Abb. 114); Szölöpasztor (Galler/Grillmayer 1979, 122); Trudenfuß (LadParth. 1972, 139, Abb. 121); Wächterhäuschen (Kahounov 1969, Abb. nach S. 78); Wächterturm (ib., Abb.); Weinhütereid m. (ThürWB 6, 878); Windklingel (Zöller 1981/82, 80); Windwacherl (Plöckinger 1940, 5); Wurfeisen (LadParth. 1972, 138, Abb. 120).- Lit. (tw. mit Abb.): Babo/Mach 1885/93, 862f.; Babo/Mach 1924, 1/2, 583; Bauer 1954, 129ff. 137, Abb.; Bechtold 2001; Bieder [nach 1999], 22ff.; Claus 1985, Kap. 2; Eder 1909b; Galler/Grillmayer 1979, 127. 135ff.; Gebhard 1988; Göth 1933; Grießmair 1969, Kart.; Grünn 1952, 235ff.; Hillebrand W. u.a. 1998a, Kap. 6.1.4; LadParth. 1972, 126ff., Abb.; LadParth. [1973]; Lies 1968. 1972; Lona 1980; Lukcz 1984; Mödlhammer 1980; Manz 2001; Müller K. 1930, 922f.; Pletscher 1908, 86f.; Plöckinger 1940. 1947f.; Rick 1965, 45ff.; Riedberger [ca. 1975], 51ff.; Schiferl 1951; Schreiber 1980, Kap. XIII; Schunko 1963; Vajkai 1950, nach S. 144, planche VI, Fig. 1; Weingartenhüter o.J.; WKW 42/178ff.- M.B. |
Hüterstange "Esponton" des Weinbergshüters Tonbsp.: Weingartenhüter (Orczydorf/Rumänien) |