HAUSTRUNK: Im Sinne des Weinrechts ist der Haustrunk kein Wein. Die um die Wende zum 20. Jh. einsetzenden nationalen Weingesetze definieren ihn als für den eigenen Hausbedarf hergestelltes, alkoholhaltiges Getränk, das im Allg. nicht verkauft werden durfte u. nur für die Versorgg. v. Familie, Gesinde u. Angestellten bestimmt war. Die Herstellg. musste den Behörden angezeigt werden; im Keller war der Haustrunk deutl. als solcher zu kennzeichnen u. tw. getrennt v. regulären WEIN in einem gesonderten Raum (Fürkeller, Vor-) zu lagern. Die heutigen Weingesetze sehen die Zulassg. v. Haustrunk nicht mehr vor. Im älteren Weinbau hatte die Herstellg. v. Haustrunk jedoch gr. Bedeutg. u. war in den Winzerbetrieben weit verbr., nicht zuletzt deshalb, weil es übl. war, die in den Weinbergen arbeitenden Taglöhner mit einem gewissen Quantum tägl. Haustrunks zu versorgen. Das gewöhnl. Verfahren der Haustrunkbereitg. (Pickelemachen, Piquettemachen, Lepsmachen) war recht einfach. Die ausgepressten TRESTER wurden nach Auflockerg. des Tresterkuchens (aufrebeln, aufreißen, aufschütteln) je nach Wunsch mit mehr od. weniger Wasser übergossen (aufwässern, bespritzen, einwassern, -wässern, einweichen, -weiken, geläuern, taufen, wassern, wässern) u. ein bis mehrere Tage der GÄRUNG überlassen (abbeizen, ansetzen, anstellen, beizen, setzen, verbeißen). Dann wurde erneut abgepresst (abedrucken, -drücken, abpressen, ausdrucken, -drücken, auspressen, ausquetschen, herauspressen, pressen), die Flüssigkeit in ein Gärgefäß gefüllt u. wie and. Wein behandelt. Der alkoholarme, leicht verderbl. Tresterwein erforderte allerdings zur Gesunderhaltg. regelmäßiges Auf- od. auch Umfüllen, stärkere SCHWEFELUNG des Fasses u. gutes Verspunden. Die Haltbarkeit (heben) des Haustrunks ließ sich durch Zugabe v. Weinstein verbessern. Verschiedene Faktoren konnten seine Qualität beeinfl.: kleinbeerige Trauben wie Riesling u. Traminer lieferten wertvollere Trester als großbeerige u. wässrige; rote Trester eigneten sich besser als weiße; je reifer u. zuckerreicher die Trauben, um so besser die Tresterweine. Vor dem Pressen angegorene Maische lieferte Tresterweine v. geringerer Güte, da die Pressrückstände nur noch wenige Weinstoffe enthielten. Generell war die Qualität des Haustrunks davon abhängig, wie stark die zur Haustrunkherstellg. benutzten Trester ausgepresst waren. Von den GWP wird öfters berichtet, dass für den fam. Haustrunkbedarf weniger stark ausgepresste Trester, für den Arbeitswein der Tagelöhner, der in größeren Mengen produziert werden musste, stärker ausgepresste verwendet wurden. In Gebieten, in denen auch Obstbau verbr. war, hat man zur Verbesserg. bzw. Vermehrg. des Haustrunks die Traubentrester auch mit Obstmost, vorzugsweise v. Äpfeln u. Birnen, vermischt (überschütten) u. zusammen vergoren. Dies wird vor allem aus am Rande der Weinbaugebiete NAHE u. WÜRTTEMBERG gelegenen Weinbauorten berichtet. Zur Verbesserg. der Haustrunkqualität wurden manchenorts auch Rosinen (Korinthen) zusammen mit den Trestern eingeweicht. In der 2. Hälfte des 19. Jhs. kam die Herstellg. v. Tresterweinen durch Zusatz raffinierten Rohr- od. Rübenzuckers auf. Für die Produktion v. Handelsweinen wurde dieses Verfahren der Weinvermehrg. bald wieder verboten, blieb für die Bereitg. v. Haustrunk jedoch erlaubt. Somit konnte alkoholreicherer, besser haltbarer Haustrunk erzeugt werden. Verschiedentl. wurde Haustrunk - vor allem, wenn nicht genügend Trester zur Verfügg. standen - auch aus der beim ABSTICH zurückbleibenden Weinhefe (GÄRUNG) bereitet, die ebenfalls mit Zucker u. Wasser versetzt u. vergoren wurde. Reste alten Haustrunks konnte man durch die Zugabe frischer Hefe, die beim Abstich jungen Weins gewonnen wurde, wieder aufbessern (schmälzen). Die Bez. nehmen vor allem auf Funktion, Herstellg., Qualität u. Wirkg. des Haustrunks Bezug. Der Bewertungsspanne des Haustrunks, der einerseits als durstlöschendes Alltags- u. Arbeitsgetränk bes. während der WEINBERGSARBEIT durchaus geschätzt wurde, andererseits stets im Schatten des regulären Weins stand u. bei Zubereitg. ohne Zucker- u. Säurezusatz als gehaltarme, braune, unangenehm nach Trestern schmeckende Flüssigkeit ausfallen konnte, entspricht die Bandbreite seiner Bez. Sie reicht v. neutralen bis hin zu spöttisch-ironischen u. abschätzigen, tw. drastisch-neg. Benennungen. Auf die Funktion als Haus- u. Arbeitswein für Winzerfamilie, Gesinde u. Arbeiter verweisen die Bez. Haustrank, Haustrunk, Hauswein, Leutwein, Rebhackerwein, Tageswein, Trinkwein, Trunkwein u. Werktagwein, auf das Getränk des geselligen Beisammenseins Lichtgangmost. Häufig nehmen die Bez. auf Herstellungsweise u. -prozess Bezug: Angemachte, Anmacher, Ansteller, Kistnes, Vodnar, Wässerler, Wasserlese, Wasserwein, Zuckerwasser, Zuckerwein auf das Ansetzen der Trester mit Zucker u. Wasser; Bubbel auf die intensive Gärg. der mit Zucker versetzten Trester; Eingeweichte auf das Einweichen der Trester; Nachdruck, Nachmost, Nachpresse, Nachwein, Presswein auf die Herstellg. aus dem Most der letzten Pressg.; Kammwein auf die Herstellg. aus dem Most, der aus den entbeerten Stielgerüsten (Kamm, Kammen) abgepresst wurde; Traberläuer, Trebermost, Treberwein, Trester, Tresterläuere, Trestermost, Tresterwein, Trestern- auf die Herstellg. aus Trestern; Drusenwein, Hefewein, Hefepresswein, Lager, Läger, Leger, Lägner, Legner, Lagerwein auf die Herstellg. aus Weinhefe; Mischling auf die Beimischg. v. Obstmost. Benennungen mit Allerwelts-PN kennzeichnen den Haustrunk als den Simpel unter den Weinen (Hansel, Hanselwein, Heinzel, Johann, Johannes, Johanni, Johannis, Josefchen, Michel, Mischka, Wassermichel); ebenfalls auf die Schlichtheit Bezug nimmt entl. Pickele, Pikkolo i.S.v. 'kl. Wein'. Bei Lackes, Schlackes, Weiberwein geben lascher Geschmack od. geringer Alkoholgehalt das Benennungsmotiv ab. Hoher Gerbsäuregehalt der Trester konnte dem Haustrunk laxierende Wirkg. verleihen; hierauf sind die Bez. Gestättenklaterer, Kellerbrunzer, Plöderer, Stiegenscheißer gemünzt. Scherzh. Vergleiche enthalten Hackelschleifer (eigtl. nur als Schleifsteinwasser zu gebrauchen), Hemdglunker (bis auf's Hemd ausgezogener Wein), Neun-mal-neun (wie Düngemittel), Rappenwein, Rebwellenwasser, Rebwellenwein (als ob aus Traubenkämmen od. Rebreisig hergestellt). Die Bez. Gesprächswasser, Händelstifter, Haudrauf, Hausfriedensbruch, Krakeelwasser, Krawallwasser, Streitmächer, Weiberdrasch, Weiberklöpp thematisieren die alkoholisierende u. enthemmende, die Bez. Gesüchtewein, Häckertod, Witwenmacher die gesundheitsschädigende Wirkg. des Haustrunks. Letztgenannte Bez. werden zwar scherzh. verwendet, haben jedoch reale Hintergründe. Insbesondere v. Mosel u. Mittelrhein berichten die GWP v. Alkoholismus, schweren Gesundheitsschäden u. tw. sogar letalen Folgen, die früher der übermäßige Konsum mit hohem Zuckerzusatz hergestellter, alkoholreicher Tresterweine bei Winzern u. Taglöhnern nach sich ziehen konnte. Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass zu der Zeit, als die Weinberge noch mit arsenhaltigen Mitteln gespritzt wurden (SPRITZUNG), es bei reichl. Genuss v. Tresterwein zu Vergiftungen kommen konnte, da sich Arsen in den Beerenschalen einlagerte u. in gefährl. Konzentration in den Trestern angereichert war. Andere Bez. des Haustrunks (Aschpes, Bämpel, Boppes, Brühe, Bumpes, Bümpes, Bupperi, Buppes, Burrligäcker, -geiger, -geter, Duppes, Flappes, Fluppes, Gackel, Glauer, Glauern, Gläuer, Ginkeler, Ginkes, Harass II (Haustrunk), Kämperl, Kwass, Lakritzwein, Lauer I (Nachwein), Läuer, Lauere, Läuere, Läuerwein, Leps, Lurke, Most, Muckefuck, Murgatsch, Panschwein, Pick, Pickes, Pique, Piquette, Piquettewein, Rappenwein, Räppser, Rosoli, Rosoliwein, Schlumpes, Simsenrassler, Trinksel, Tschiger, Tschigerwein, Wasserlese, Weinbeerpickele) ordnen sich meist in die genannten Benennungskategorien ein od. sind etym. schwierig durchschaubar.-Lit.: Arthold 1950, 467ff. 499; Babo/Mach 1921, 2/1, 499. 523ff.; Bauer M. 1954, 79; Egli 1982, 237f.; Höfflin 1983, 107. 109; Kleiber 1975, 148ff.; Koch [1999], 64f.; LadParth. 1972, 184; Mach 1884, 288ff.; Müller K. 1930, 322; Seppälä 2001, 279ff.; Vierrath 1978, 42. 152; Weber W. 1949, 162; Weinhold 1973, 275f.; Wenisch 1912, 253ff.; WKW 102/568ff.- R.P.

Artikel wurde aus Cache gelesen