NACHLESE: An die LESE, die sich in Vorlese, Hauptlese, d.h. allg. Lese, u. Spätlese gliedert, schloss sich früher meist noch die sog. Nachlese an, die heute aus Zeitgründen fast nicht mehr praktiziert wird. Diese Nachlese (Pritsche, Britsche), d.h. das Einsammeln der Trauben, die bei der Hauptlese übersehen worden waren, wurde früher best. Personengruppen erlaubt (afterbergeln, achter-, afterbergen, afterlesen, ahren, ahrnen, ätzeln, ätznen, bergbetteln, glennen, glinnen, granen, grappern, holen, jenen, klauben, kluppbergeln, leskornen, mundstoppeln, nachähren, nachhingehen, nachhinlesen, nachhinsuchen, nachlesen, nachretzeln, nachschnäuken, nachstupfeln, nachsücheln, nachsuchen, nachwimmeln, pogitschin, präpsteln, prapsten, prapstnen, pritschen, britschen, britzen, rappeln II (nachlesen), retzeln, rispeln, rispen, sammeln, schnaudern, schnäuken, schüweln, spiegeln, stoppeln, stuppeln, stupfeln, strumpfeln, strupfeln, sücheln, suchen, tarlosnen, wolfeln, zusammenklauben, zusammensammeln). In RUMÄNIEN war hierfür der Ausdr. "auf dem Spor gehen" übl. Zur Bez. der Tätigkeit wurden im Mbair. sehr häufig die Fachw. für die übersehenen Trauben (Herling, Lesbeere, Lesbeerlein, Leskern, Leskorn, Lesnägelein, Wolf) mit dem V. "suchen" kombiniert, z.B. "Leskorn suchen" od. "Wolf suchen". In Georgsfeld (ASERBAIDSCHAN) sagte man beispielsweise "Herling suchen". In Imbsheim (ELSASS) heißen die hängengebliebenen Trauben Retzel, während das Fachw. Stoppeltraube, Stupfel-, Stuppel- vor allem im Rhfrk. u. in einigen Sprachinseln in RUMÄNIEN, SERBIEN u. der UKRAINE gilt. Mancherorts ließen die Winzer auch absichtl. für die Nachlese einige Trauben hängen. Bei den Nachlesern handelte es sich vor allem um arme od. alte Leute u. Schulkinder. Diese werden entsprechend der Tätigkeitsbez. je nach Anbauregion Afterbergler, Afterleser, Retzler u. Stoppeler genannt. Manchmal sammelten die Winzer od. ihre Familienmitglieder (Hausleute) auch selbst diese Trauben ein u. stellten hieraus WEIN her. In Winningen (MOSEL) wurde der Beginn der Nachlese durch die Glinnglocke (BRAUCH) angekündigt. Im J. 1982 führten einz. Winzer aus Zornheim (RHEINHESSEN) noch die Nachlese durch u. stellten aus den nachgelesenen Trauben (Stoppeltraube, Stupfel-, Stuppel-) Wein her. Früher war hier das Stoppeln weit verbr. Diese Trauben wurden in and. Orten, z.B. in Guntersblum, wo das Stoppeln in den 1980er J. nach den Ang. der GWP verboten war, sogar verkauft. Der Winzer aus Walhausen (NAHE) gab an, einmal 3.000l solcher Trauben, die gut ausgereift waren, angekauft zu haben. In Ingelfingen (WÜRTTEMBERG) wurde die Nachlese (rispeln) meist v. Kindern durchgeführt; die so gelesenen Trauben (Rispeltraubel) wurden mit nach Hause genommen. Dort kam ihr Saft zusammen mit dem Most ins Mostfass. In den 1980er J. wurde die Nachlese, für die spez. Termine angesetzt wurden, hier v. allen durchgeführt; die nachgelesenen Trauben wurden an die Genossenschaft abgeliefert. Im J. 1982 kannten die GWP aus Krasne/Krasna (UKRAINE) für die Geiztrauben nur die Bez. Stuppeltrauben. Diese wurden aber nicht gelesen, da sie bei der Hauptlese noch grün waren u. den Wein verdorben hätten. In ihrer Kindheit hatten die GWP diese Trauben jedoch noch nachgelesen (stoppeln, stuppeln, stupfeln). Wurde eine übersehene Traube entdeckt, so rief man in Stäfa (ZÜRICH) "Umechoo ('umkehren'), es brennt!" u. in Tscherlach (ST. GALLEN) "Es brünnt! ('brennt')". Diejenigen, die Trauben (Pritsche, Britsche) hängenließen, erwartete vielfach eine symbolische Bestrafg. (BRAUCH). In St. German (WALLIS) durfte früher nach Sankt Gallus (16. Okt.) nachgelesen werden, aber Anf. der 1980er J. war dies verboten, da die Lese zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet war.- s.a. Gepritschte (Wrede 1922, 207); Pritschenbank (ib.); Pritschenlied (ib.); Pritschenmeister (ib.); Pritscher (ib.).-Lit.: AIS 1317; Kleiber 1980; Ochs 1920; WKW 87f.- M.B. |
Tonbsp.: stoppeln, Stoppeler, Stoppeltraube (Zornheim, Rheinhessen, Deutschland) |