VORLESE:
I. Lese früh reifender Rebsorten.
II. Lese roter Trauben zum Angären.
III. Selektion geschädigter Trauben.
IV. Lese von Esstrauben.
Die Termini Auslese, Frühherbst, Frühlese, Vorherbst, Vorlese, Für-, Vorleset, die v. den GWP auf die Frage nach einer der eigtl. LESE vorausgehenden Vorlese genannt werden, bleiben hinsichtl. ihres genaueren Inhalts tw. leider unerklärt. Wo nähere Erl. erfolgen, verbinden sich mit dem Begriff der Vorlese mehrere, voneinander zu trennende Sachverhalte: I. Lese früh reifender Rebsorten: Eine Vor- od. Frühlese gibt den Winzern Gelegenheit, früh reifende Sorten vor der Hauptlese zu ernten, um größere Lesegutverluste durch Abfallen, Fäule u. Wespenfraß zu vermeiden. In Armsheim (RHEINHESSEN) wurde eine bei der Gde. zu beantragende Vorlese nur bei der Rebsorte Müller-Thurgau, -Thurgauer durchgeführt, wenn die Trauben in Fäulnis überzugehen drohten. In Heimbach (BADEN) gab es einen Vorherbst bei den Sorten Müller-Thurgau (Müller) u. Blauburgunder, Blaue Burgunder. In Somberek/Schomberg (UNGARN) wurde Portugieser früher als and. Sorten gelesen.- II. Lese roter Trauben zum Angären: Die GWP aus Kallstadt (PFALZ) berichtet, dass v. der Winzergenossenschaft eine Vorlese bei roten Trauben praktiziert wurde. Das vorgelesene Lesegut verteilte man auf die Gärbottiche u. ließ es angären, damit der Gärprozess bei der später hinzukommenden Maische schneller in Gang kam. Die Genossenschaft bestimmte, welche Winzer diese Vorlese durchführen durften.- III. Selektion geschädigter Trauben: Nach Aussage der GWP meist erst in jüngerer Zeit übl. geworden ist die Vorauslese fauler od. angefaulter Trauben (abklauben, ausfäulen, Auslese, auslesen, außeschneiden, Faulbeerenlese, Faulherbst, frühlesen, Gelump, Gelümpe, Gelumpet, herauslesen, putzen, sortieren, vorherbsten, Vorlese, Für-, vorlesen, für-, vorwimmeln, vorwimmen, wegklauben), um den übr. Bestand an Trauben vor dem Verderben zu schützen.- IV. Lese von Esstrauben: Früher war es in vielen Winzerhaushalten übl., vor der eigtl. Lese ausgesucht schöne Trauben als Esstrauben zum eigenen Gebr., zum Verschenken od. Verkaufen zu schneiden (Aufhänger, Aufhebstraube, aussammeln, ausschneiden, Ausschneidtraube, -schneide-, Geschnittene, herauslesen, schneiden, Schnitttraube, Tafeltraube, Tafelweinbeere). In Ramsthal (FRANKEN) ging man vor dem Lesen mit dem Graskorb in die Weingärten u. schnitt schöne Trauben aus, die man an Verwandte verteilte od. den Lesern zur Belohng. mitgab. In Grenzach (BADEN) pflegten die Winzer Geschnittene an die bei der Lese helfenden Verwandten zu verteilen; auch gab es ein gemeindeeigenes Rebstück mit Spätburgunder-Reben, aus denen die Gemeinderatsmitglieder u. Gemeindediener Esstraubendeputate erhielten. In Lezyca/Lansitz (POLEN) wurden die vor od. auch noch während der Lese geschnittenen Esstrauben auf dem Markt verkauft, wo sie mehr Erlös einbrachten als in der Kelterei. Waren die Trauben dazu best., über Winter aufgehoben zu werden, wurde beim Abschneiden ein Stück grünen Rebholzes am Stiel belassen, wovon die Traube noch eine Weile zehren konnte. Zur Lagerg. wurden sie an einem trockenen, gut belüfteten Ort an Schnüren od. Stangen aufgehängt (aufheben, aufhängen, -henken, TRAUBENAUFBEWAHRUNG). In Katharinenfeld (GEORGIEN) u. Xanlar/Helenendorf (ASERBAIDSCHAN) hielten sich die auf dem Speicher (Bühne) im Traubenhäuslein aufgehängten Trauben meist bis Mai, in Mucsi/Mutsching (UNGARN) Esstrauben der Sorte Chasselas oft bis E. Juni des Folgejahres. In eingeschrumpftem Zustand (verhutzeln) schmeckten die Trauben bes. gut.-Lit.: Bauer M. 1954, 69f.; BrockhWein 2005, 160; LadParth. 1972, 156; Müller K. 1930, 893; Resch 1980, 24; Schumann 1998, 26; Sebestyén 1978, 250.- R.P.

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